Page 147 - Auswirkungen-HF-EMF-auf-die-Gesundheit
P. 147

Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 147 – Drucksache 20/5646
 Alltag nicht wider (ICNIRP 2019; BfS 2019b). Die Höhe der Exposition sei 75-mal höher als die von der ICRNIRP empfohlenen maximalen Grenzwerte für Ganzkörperexpositionen, und 3-mal höher als die für lokale Exposition empfohlenen Grenzwerte (ICNIRP 2019). Darüber hinaus wurden die Tiere Ganzkörperexposition ausgesetzt, obgleich lokale und Ganzköperexposition ganz unterschiedliche Effekte hervorrufen können (ICNIRP 2019). Dies erschwere oder hindere gar eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die menschliche Gesundheit (ICNIRP 2019; U.S. Food and Drug Administration 01.11.2018; ANSES 2018c; Dürrenberger und Fröhlich 2018). Daraus schließt ICNIRP (2019), dass nur die Ergebnisse der Ramazzini-Studie direkt relevant seien, BE- RENIS (2018), dass die Ergebnisse der NTP-Studie vor allem für die körpernahe Exposition relevant seien (BE- RENIS 2018). Dieser Ansicht ist auch Melnick (2019) und argumentiert, dass die tatsächliche lokale Exposition des Rattenhirns während des Experiments einer Exposition des Menschengehirns durch Mobiltelefonnutzung äh- nelt. Demnach seien die Ergebnisse zum Verständnis der Karzinogenität der Mobiltelefonnutzung durchaus rele- vant.
Zwar treten Herz-Schwannome bei Menschen selten auf (ICNIRP 2019), dennoch argumentiert das italieni- sche Team, dass die Ergebnisse beider Studien mit Befunden epidemiologischer Studien korrespondieren, in wel- chen Vestibularis-Schwannome – auch Akustikusneurinomen genannt, eine Erkrankung des Hör- und Gleichge- wichtsnervs – mit einer intensiven Mobiltelefonnutzung in Zusammenhang gebracht wurden (National Toxico-
76
logy Program 2018, S. 125; Falcioni et al. 2018, S. 502).
Gliome in derselben Art von Zellen wie Vestibularis-Schwannom entstehen (National Toxicology Program 2018, S. 125). Diese Hypothese setzt voraus, dass die Karzinogenität von EMF nicht organspezifisch ist, was aus den vorliegenden Befunden nicht bestätigt werden kann (National Toxicology Program 2018, S. 122). Sind die Tumo- ren organspezifisch, bemängelt ANSES (2018d) eine Erläuterung der zugrundeliegenden Wirkmechanismen. Dar- über hinaus ist die Absorption von EMF bei Menschen ganz anders als bei Ratten und Mäusen aufgrund ihrer unterschiedlichen Körpergeometrie (Dürrenberger und Fröhlich 2018; ANSES 2018b). Dass keine Effekte bei Mäusen beobachtet wurden, erschwert die Verallgemeinerbarkeit der Befunde über die Spezies hinaus (ICNIRP 2019). Das NTP-Forschungsteam sieht in den eigenen Ergebnissen einen Hinweis für eine mögliche Assoziation zwischen Mobiltelefonnutzung und Akustikusneurinomen. Die molekularen Wirkmechanismen sollten daher weiter erforscht werden, schlussfolgern die Wissenschaftler/innen im technischen Bericht (National Toxico- logy Program 2018, S. 125). Seitdem wertete das Forschungsteam neue Daten aus und stellte DNA-Schäden im Gehirn von Ratten und Mäusen fest, die den EMF ausgesetzt wurden. Zudem identifizierte das Team einen Zu-
77
sammenhang zwischen der Exposition und einer bedeutsamen Erhöhung der DNA-Schäden.
DNA-Schäden
könnten ggf. auf oxidativen Stress zurückzuführen sein (Melnick 2020, S. 679). In einer Bewertung der wissen-
schaftlichen Literatur zum möglichen Zusammenhang zwischen EMF und oxidativem Stress schreibt BE-
78
RENIS , dass eine erhöhte Inzidenz von reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS), eine Überlastung und Er-
schöpfung der antioxidativen Schutzmechanismen und Schädigung von DNA bei einer EMF-Exposition über mehrere Wochen oder Monate, aber auch für wenige Stunden beobachtet wurden, dies bei unterschiedlichen Fre-
79
Ein vom NTP einberufenes Gutachter-Panel bewertete die im Februar 2018 vorliegenden Befunde der NTP-Studie und kam zu dem Schluss, dass eindeutige Hinweise (»clear evidence«) zu den Auswirkungen von HF-EMF auf das Auftreten von Herz-Schwannomen bei männlichen Ratten des untersuchten Stamms und einige Hinweise (»some evidence«) auf ihre Auswirkungen auf die Entwicklung von Hirntumoren für beide Modulationen vorlie- gen. Einige Hinweise wurden ebenso für Tumoren des Nebennierenmarks (Phäochromozytom) bei einer GSM- Modulation festgestellt. Weitere Inzidenzen wurden als nicht eindeutig (»equivocal«) eingestuft National Toxi- cology Programm 2018, S.L-38f.). Das italienische Team schlussfolgert, dass ihre eigenen Befunde die NTP- Ergebnisse bekräftigen und ausreichend sind, um die IARC-Einstufung von EMF zu überprüfen (Falcioni et al. 2018).
Von den Befunden ausgehend kommen Wissenschaftler/innen sowie Expertengremien zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bezüglich der Notwendigkeit, die Einstufung von EMF und die maximalen Grenzwerte zu überprüfen. Für Dürrenberger und Fröhlich (2018) liefern die beiden Studien erneut »Verdachtsmomente« aber
76 Die betroffenen Schwann-Zellen sind integrativer Teil des Nervensystems und a priori in allen Organen gleich.
77 https://ntp.niehs.nih.gov/whatwestudy/topics/cellphones/index.html (31.5.2021)
78 https://nejtil5g.dk/wp-content/uploads/2021/02/newsletter_berenis_sonderausgabe_januar_2021-1.pdf (24.2.2022)
79 https://nejtil5g.dk/wp-content/uploads/2021/02/newsletter_berenis_sonderausgabe_januar_2021-1.pdf (24.2.2022)
quenzen und Dosis, teilweise bereits bei Expositionen unter den gesetzlichen SAR-Grenzwerten.
Einordnung der Befunde für das politische Handeln
Dies liegt daran, dass Schwannome des Herzens und
 Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.










































































   145   146   147   148   149