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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 149 – Drucksache 20/5646 Forschungsaktivitäten und Forschungsbedarf
Schon vor beinahe 15 Jahren formulierte die WHO (2006b) einen hohen Forschungsbedarf (»high priority«) zur Abschätzung der Wirkungen einer Mobiltelefonnutzung auf Kinder. Insbesondere schlug sie die Durchführung einer multinationalen Fall-Kontrollstudie zum Risiko für Hirntumor vor sowie eine prospektive Kohortenstudie zu allgemeinen gesundheitlichen Wirkungen (z. B. Kognition und Schlafqualität).
Zum Risiko für die Entstehung eines Hirntumors durch Mobiltelefonnutzung wurden seitdem zwei multina-
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Weiterhin empfahl die WHO (2010) die Durchführung von prospektiven Kohortenstudien mit Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf die Mobiltelefonnutzung, insbesondere in Bezug auf neurologische und Krebser- krankungen sowie Wirkungen auf das Verhalten. Dies könnte beispielsweise in den bestehenden großen Mutter- Kind-Kohortenstudien durch Erhebung von prospektiven Daten zur HF-EMF-Exposition erfolgen. Dabei wurde ein Bedarf gesehen, in zukünftigen Studien die unterschiedlichen Technologien und Nutzungsgewohnheiten (z. B. Nutzung von Notebooks) mit zu berücksichtigen. Darüber hinaus wurde (wie auch schon 2006) ebenfalls ein dringender Bedarf darin gesehen, im Rahmen von experimentellen Studien akute Wirkungen von Mobilfunk auf die Kognition und das EEG bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Altersklassen, insbesondere bei jün- geren Kindern, zu untersuchen. Alle diese WHO-Empfehlungen haben immer noch Bestand und sind Teil der EMF-Forschungsagenda82 zu Kindern.
Im Rahmen des systematischen gutachterlichen Reviews für den vorliegenden TAB-Bericht konnte seit den WHO-Empfehlungen zwar eine Zunahme des Forschungsinteresses im Bereich der Wirkungen von Mobilfunk auf Kinder und Jugendliche verzeichnet werden, jedoch eher in der Epidemiologie und weniger bei experimen- tellen Studien. Der größte Teil der Studien zu Kindern und Jugendlichen wurde nach 2010 veröffentlicht (n = 40; 83 %), davon waren 33 epidemiologische und sieben experimentelle Studien. Im Bereich der Epidemiologie wur- den aufgrund der WHO-Empfehlung verschiedene Projekte (z.B. HERMES- und ExPOSURE-Studie) speziell zum Thema Mobilfunk und Kinder initiiert oder ergänzende Untersuchungen in bereits laufenden Kohortenstu- dien (z. B. DNBC, GERoNiMO) vorgenommen. Bei experimentellen Studien war die Zunahme mit sieben Publi- kationen seit 2010 weniger deutlich, aber auch dort bezogen sich einige Autoren explizit auf die WHO-Empfeh- lungen als Motivation für die durchgeführten Untersuchungen (Choi et al. 2014; Croft et al. 2010; Leung et al. 2011; Loughran et al. 2013).
Die deutlich größere Anzahl an epidemiologischen Studien im Vergleich zu experimentellen Studien ist in- sofern bemerkenswert, als diese oftmals ungleich kosten- und zeitintensiver sind. Experimentelle Studien können zudem aufgrund der Möglichkeit der Standardisierung der Expositions- und Untersuchungsbedingungen für die Erforschung akuter Wirkungen validere Ergebnisse liefern. Ein Grund dafür, dass es hier offensichtlich nicht zu einem nennenswerten Anstieg der Forschungsaktivitäten seit 2010 gekommen ist, könnte darin liegen, dass es aus ethischen Gründen nur begrenzte Möglichkeiten gibt, mit Kindern Versuche durchzuführen – die Untersuchungen könnten deshalb prinzipiell in ihrer Aussagekraft eingeschränkt sein.
Notwendige Studien
Da es aufgrund der inkonsistenten Datenlage, der geringen Anzahl der experimentellen Studien insgesamt (n = 12), den relativ kleinen Teilnehmerzahlen in den einzelnen Studien (15 bis 60 Teilnehmende) und der durchwach- senen Studienqualität nicht möglich war, eine Einschätzung zu den akuten Wirkungen von HF-EMF von Mobil-
81 https://cordis.europa.eu/project/rcn/89894/reporting/en (1.10.2020)
82 https://www.who.int/peh-emf/research/children/en/index4.html (1.10.2020)
 tionale Fall-Kontrollstudien durchgeführt, die dieser Empfehlung gefolgt sind.
Dänemark, Norwegen, Schweden und der Schweiz zwischen 2004 und 2008 durchgeführt, um das Hirntumorri- siko bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 19 Jahren im Zusammenhang mit der Mobiltelefonnutzung zu untersuchen. Aufgrund des Einschlusses von 19 Jahre alten Jugendlichen wurde diese Studie im vorliegenden Review nicht berücksichtigt. In dieser Studie mit insgesamt 352 Kindern und Jugendlichen mit einem Hirntumor sowie 646 Kindern und Jugendlichen in der Kontrollgruppe fanden Aydin et al. (2011b) keinen Zusammenhang zwischen einer Mobiltelefonnutzung und dem Risiko für Hirntumor. Im Rahmen der MOBI-KIDS-Studie wurden zwischen 2011 und 2016 in 14 Ländern fast 1.000 junge Menschen im Alter von 10 bis 24 Jahren mit einem Hirntumor und rund 1.900 Personen in der Kontrollgruppe ohne Hirntumor untersucht (Turner et al. 2019). Die Veröffentlichung der Ergebnisse steht bis dato (Ende 2020) noch immer aus.
Die CEFALO-Studie wurde in
 Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.




















































































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