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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 19 – Drucksache 20/5646 Einleitung
Hochfrequente elektromagnetische Felder (HF-EMF) sind Grundlage digitaler, kabelloser Kommunikation etwa zwischen WLAN-Routern und Rechnern, Tablets und nicht zuletzt Mobiltelefonen im gesamten öffentlichen Raum und in praktisch allen privaten Haushalten. Zu erwarten steht in den kommenden Jahren eine weitere Zu- nahme von EMF-Quellen verschiedenster Frequenzbereiche. Als Hauptgrund hierfür gilt die rasante, umfängliche Digitalisierung nahezu aller Arbeits-, Lebens- und Wirtschaftsbereiche, die gleichzeitig stark mit mobil einzuset- zenden Technologien verbunden ist. Aber auch der Stromnetzausbau, die Forcierung von Elektromobilität und autonomem Fahren tragen zu einem verstärkten Auftreten von EMF bei. Es ist daher zu erwarten, dass die Expo- sition der Bevölkerung mit EMF zukünftig ansteigen wird. Diese voraussichtliche Entwicklung bringt die Fragen mit sich, ob bzw. welche Wechselwirkungen zwischen den diversen EMF zu erwarten sind und ob bzw. welche Auswirkungen dies ggf. auf die menschliche Gesundheit haben könnte.
Die Auswirkungen von EMF auf Organismen sind seit Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung. Tau- sende Einzeluntersuchungen zu Fragen des mit der Mobilfunkstrahlung möglicherweise einhergehenden Gesund- heitsrisikos wurden in vielen Ländern und unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen durchgeführt, ebenso hun- derte von groß angelegten Metastudien. Die resultierenden Ergebnisse und Befunde sind in vielen Fällen nicht eindeutig bzw. übereinstimmend, woraus teils konträre Interpretationen und kontroverse Debatten resultieren. Dies ist auch dadurch begründet, dass die wissenschaftliche Beantwortung der zugrundeliegenden Fragestellung methodisch keineswegs trivial ist; auch kann eine endgültige Beweisführung für die Abwesenheit jeden Risikos per se nicht erfolgen. Es handelt sich hierbei (im Sinne von »wicked problems«) um eine »komplexe« (Funto- wicz/Ravetz 1993) oder auch »perplexe« wissenschaftliche Ausgangssituation (Meskens 2019). Hinzu kommen Interessen- und Wertekonflikte, eine resultierende Politisierung des Themas sowie Emotionalisierung, Vertrau- ensverluste, Kommunikationsschwierigkeiten und Lagerbildungen, die bis in die Forschungscommunity selbst zurückwirken (Böschen et al. 2010; Kastenhofer 2015). Zu konstatieren ist, dass die Kontroversen um mögliche Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung auf die Gesundheit des Menschen auch nach jahrzehntelanger intensiver Forschungsarbeit, zahllosen wissenschaftlichen Diskussionen und vielen gesellschaftlichen Diskursen als »unge- löst« gelten (ITA 2020, S. 12).
Zugleich bilden die derzeit bekannten wissenschaftlichen Befunde zu biologischen Wirkungsschwellen bei technisch erzeugten elektromagnetischen Feldern, unterhalb derer keine Wirkungen eindeutig nachweisbar sind, die Grundlage für Grenzwertempfehlungen nationaler und internationaler Institutionen – z. B. internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP), Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder die Strahlenschutzkommission (SSK) und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Deutschland. Mit Blick auf die neuen technologischen Entwicklungen und Anwendungen in den verschiedenen EMF-Bereichen sowie zur diesbezüglich noch notwendigen Verbesserung der wissenschaftlichen Datenlage wurden und werden in Deutsch- land seitens der zuständigen Bundesministerien und Behörden Forschungsprogramme und -projekte durchgeführt, die zum Teil einen umfassenden Ansatz verfolgen und zu einer Verbesserung der Risikoabschätzung und -bewer- tung für EMF beitragen sollen.
Zielsetzung
Der vorliegende Bericht stellt den aktuellen Sachstand zu möglichen gesundheitlichen Risiken der elektromagne- tischen Felder des Mobilfunks zusammenfassend dar. Hierfür wurde in großem Umfang wissenschaftliche Lite- ratur gesichtet und ausgewertet. Ein großes Augenmerk wurde dabei auf eine klare und transparente Unterschei- dung zwischen evidenzbasierten wissenschaftlichen Befunden und möglichen Interpretationen seitens politischer Akteure, gesellschaftlicher Gruppen bzw. spezifischer Stakeholder gelegt: Es erfolgt ausschließlich eine evidenz- orientierte Darstellung der Forschungsbefunde, d. h., es wird der wissenschaftliche Gehalt referiert und keine (po- litische oder sonstige) Interpretation vorgenommen. In diesem Sinne leistet dieser Bericht eine Risikoabschät-
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zung, aber keine Risikobewertung . Es wurde eine Identifizierung des Gefährdungspotenzials vorgenommen, wis-
senschaftliche Erkenntnisse zur Dosis-Wirkungs-Beziehung zusammengetragen und eine Expositionsabschät- zung durchgeführt. Ergänzend wurden Unsicherheiten charakterisiert, die mit der Erkenntnislage nicht weiter re-
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Zur Unterscheidung Risikokommission (2003, S. 25).
Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.























































































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