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Drucksache 20/5646
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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode
funk auf Kinder und Jugendliche abzuleiten, bleibt die berechtigte Forderung der WHO nach qualitativ hochwer- tigen Provokationsstudien zu den Wirkungen auf das Nervensystem (EEG, Kognition) bestehen. Zukünftige Stu- dien sollten größere Gruppen an Kindern und Jugendlichen und unterschiedliche Altersklassen berücksichtigen. Nur so kann abgeklärt werden, ob die in einigen Studien gefundenen Wirkungen (Krause et al. 2006; Leung et al. 2011; Movvahedi et al. 2014) bestätigt werden können.
Abzuwarten bleibt die Veröffentlichung der Ergebnisse aus der MOBI-KIDS-Studie, um danach abschätzen zu können, ob in ihr die Forderung der WHO (2010) nach einer Fall-Kontrollstudie zu Hirntumor mit einer ver- besserten Expositionsabschätzung erfüllt wurde, und auch, ob Hinweise auf ein erhöhtes Hirntumorrisiko gefun- den wurden. Auch in Zukunft sollte dieses Tumorrisiko bei Kindern und Jugendlichen mit Mobiltelefonnutzung weiter untersucht werden. Allerdings könnte die Durchführung von weiteren Fall-Kontrollstudien aufgrund der Tatsache, dass heutzutage fast alle Kinder und Jugendlichen ein Mobiltelefon nutzen und zugleich eine entspre- chende Vergleichsgruppe für die Exposition (d.h. ohne Exposition) nicht mehr zur Verfügung steht, in Zukunft nur noch sehr begrenzt oder gar nicht mehr möglich sein.
Empfehlenswert wäre deswegen, in zukünftigen Trendstudien zur Inzidenz von Hirntumor die Altersklassen von Kindern und Jugendlichen gesondert zu berücksichtigen, um hier ggf. Hinweise zu einem erhöhten Risiko für Hirntumore bei Kindern und Jugendlichen zu erhalten. Da die Ergebnisse der in diesen für den TAB-Bericht erstellten gutachterlichen Review eingeschlossenen epidemiologischen Studien zu Verhaltensauffälligkeiten, kognitiven Fähigkeiten und gesundheitlichen Beschwerden inkonsistent waren und eine geringe Evidenz für ent- sprechende Wirkungen lieferten, sollten die Ergebnisse in Kohortenstudien mit objektiver prospektiver Expositi- onsbestimmung überprüft werden.
Exkurs 5G
5G ist zunächst ein Sammelbegriff für ein Bündel unterschiedlicher technologischer Innovationen, die mehr oder weniger für dieselben Frequenzbereiche verwendet werden, die schon jetzt umfassend genutzt werden, wie auch für die Nutzung deutlich höherer Frequenzbereiche (aber auch spezieller Datenübertragungstechniken, unter- schiedliche Anwendungsgebiete wie etwa Mobiltelefonie, Industrie 4.0, Cloud Gaming, Internet of Things, selbst- fahrende Autos etc.). 5G ist somit nicht über ein einziges Expositionsszenario abzubilden. Dies macht auch die Zuordnung möglicher Evidenzen schwierig und entsprechend ist die bis dato dokumentierte Evidenzlage zu den Wirkungen von 5G noch immer äußerst dürftig. Das ITA (2020, S. 101 ff.) listet in seinem Bericht auf Grundlage einer systematischen Suche nach Reviews zu 5G nur sechs (englische) klassifizierte Publikationen in Fachzeit- schriften auf, in denen sich mit gesundheitlichen Risikohypothesen und Wissenslücken befasst wurde.
Welche Anwendungen der 5G-Technologie wann und in welchen Frequenzbereichen zur Anwendung kom- men (werden), ist noch nicht klar. Welche Art des Ausbaus letztendlich (sowohl in Deutschland als auch weltweit) erfolgen soll, ist nicht sicher: Wird etwa eine flächendeckende Versorgung über Sendestationen angestrebt oder geht es stärker um einen jeweiligen standortspezifischen Ausbau (im Sinne von Industrie 4.0)? Je nach Ausbau- stufe oder Anwendungsbereich entstehen ganz unterschiedliche Expositionsszenarien, und dies hat bzw. hätte zukünftig durchaus Einfluss auf Abschätzung und Beurteilung möglicher Auswirkungen bzw. Risiken. Aktuell allerdings sucht man z. B. in der Fachliteratur zu Gesundheitsrisiken nichtionisierender Strahlung den Begriff 5G teils vergeblich. Er ist insbesondere für die Risikoforschung ganz offensichtlich zu unpräzise. Und in wissen- schaftlichen Fachdiskussionen etwa wird 5G häufig nur (verkürzend) mit bestimmten höheren Frequenzbereichen gleichgesetzt (z.B. Millimeterwellen, Sub-THz-Bereich, Ultrahochfrequenz). In der öffentlichen Debatte um mögliche gesundheitliche Risiken scheint es wiederum vielfach um ungelöste Kontroversen um die bestehende Expositionssituation und deren mutmaßliche Verstärkung zu gehen (ITA 2020, S. 22 ff.).
Produkte und Anwendungen
In Deutschland werden in der 5G-Strategie der Bundesregierung aktuell drei zentrale Anwendungsgruppen für 5G identifiziert, die sich an die von der Internationalen Fernmeldeunion erarbeiteten Nutzungsszenarien anlehnen (Radiocommunication Sector of ITU (ITU-R) 2015, 11 f.):
› Enhanced Mobile Broadband, d. h. eine verbesserte mobile Breitbandverbindung, um Mobilgeräte mit mög- lichst hohen Datenraten zu versorgen
Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.