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Drucksache 20/5646
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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode
 12 experimentelle Studien möglichen biologischen und gesundheitlichen Folgen von HF-EMF bei Kindern und Jugendlichen sowie eine entsprechende epidemiologische Studie für ältere Menschen systematisch analysiert und bewertet. In 34 Studien wurde die Nutzung eines Mobiltelefons untersucht, in 2 Studien die Exposition bei Mo- bilfunkbasisstationen und 13 Studien untersuchten die Nutzung eines Mobiltelefons zusammen mit der Exposition z. B. bei Basisstationen, Fernseh- und Rundfunksendern.
In insgesamt 17 Studien fanden sich Hinweise auf verschiedene Wirkungen. In den epidemiologischen Stu- dien wurden Auffälligkeiten im Verhalten am häufigsten beschrieben, insbesondere bei Kindern, die selbst tele- fonierten oder die während der Schwangerschaft ihrer Mütter in utero exponiert waren. Darüber hinaus gaben Kinder und Jugendliche gesundheitliche Beschwerden (Kopfschmerzen, Müdigkeit etc.) an, wenn sie mit dem Mobil- bzw. Smartphone telefonierten. Ebenso wurden Wirkungen auf die Kognition bei Jugendlichen beobach- tet. In den experimentellen Studien gab es einzelne Hinweise auf Veränderungen der Hirnaktivität, des Hautwi- derstands und eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Die einzige epidemiologische Studie zu Senioren zeigte keine statistisch signifikanten Ergebnisse in Bezug auf die Frage, ob die Nutzung von Mobiltelefonen einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit für Hirntumore hat.
Die meisten Studien weisen jedoch eine Reihe von methodischen Schwächen auf, die die Validität der Er- gebnisse einschränken. Nur drei epidemiologische Studien und eine experimentelle Studie, die eine Wirkung der HF-EMF-Exposition fanden, hatten ein geringes Biasrisiko und wurden dementsprechend einer hohen Studien- qualität zugeordnet. Bei den anderen 13 Publikationen mit Hinweisen auf Wirkungen wurde die Studienqualität mit moderat oder gering bewertet. Daher sollten zukünftige Studien gezielter Biasrisiken bezüglich des Designs, der Durchführung sowie der Dokumentation der Studie minimieren. Hierbei sollten insbesondere die Schlüssel- faktoren Verblindung, Expositionsbestimmung sowie die vollständige Beschreibung der Ergebnisse berücksich- tigt werden.
Aufgrund der insgesamt quantitativ und qualitativ unzureichenden Studienlage kann die Evidenz für Wir- kungen von Mobilfunk auf die Kognition, das Verhalten und subjektive Beschwerden bei Kindern und Jugendli- chen nicht abschließend beurteilt werden. Die unzureichende Studienlage insbesondere im Hinblick auf möglich negative gesundheitliche Auswirkungen ist zugleich derzeit nicht ausreichend, um Wirkungen (insbesondere Langzeitwirkungen) auszuschließen. Für Wirkungen auf die frühkindliche Entwicklung, Krebs und physiologi- sche Parameter ist die Datenlage unzureichend, um eine Schlussfolgerung über etwaige Wirkungen abzuleiten. Als problematisch anzusehen ist der Fakt, dass bis dato auch immer noch keine, auf Studien beruhende, dezidierte Aussage darüber getroffen werden kann, ob Kinder und Jugendliche grundsätzlich empfindlicher auf eine Mobil- funkexposition reagieren als Erwachsene. Dies wäre jedoch von enormer Relevanz. Zu den möglichen Wirkungen auf ältere Menschen können auf Basis einer einzelnen Studie keine Schlussfolgerungen gezogen werden.
Es besteht somit weiterhin eine große Notwendigkeit zur Durchführung qualitativ hochwertiger Studien in den Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen, in denen insbesondere das Risiko für Hirntumor stärkere Be- rücksichtigung finden sollte. Auch sollten die Ergebnisse der epidemiologischen Studien zu Verhaltensauffällig- keiten, kognitiven Fähigkeiten und gesundheitlichen Beschwerden in Kohortenstudien mit objektiver prospektiver Expositionsbestimmung überprüft werden. Außerdem besteht ein Bedarf an qualitativ hochwertigen experimen- tellen Studien zu den Wirkungen auf das Nervensystem. Zukünftige experimentelle Studien sollten eine größere Anzahl an Kindern und Jugendlichen und unterschiedliche Altersklassen berücksichtigen.
Anmerkungen zur Forschungsförderung
Eine evidenzbasierte informierte gesellschaftliche und politische Diskussion in Bezug auf mögliche gesundheit- liche Auswirkungen von HF-EMF und die diesbezügliche Risikovorsorge (vor allem Grenzwertsetzung) ist auf die Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Studien zu diesem Themengebiet angewiesen. Grundsätz- lich ist bei der Forschungsförderung eine proaktive oder eine reaktive Strategie möglich. Im ersten Fall würde systematisch und kontinuierlich in Primärforschung investiert, um offene Fragen zu klären und die Risikodebatte konstruktiv voranzubringen. Die reaktive Strategie würde bedeuten, lediglich den internationalen Wissensfort- schritt zu beobachten, um bei Bedarf (wissenschaftlich, politisch) entsprechende Forschungsaktivitäten zu lancie- ren. Es ist allerdings zu beachten, dass die in Deutschland im Zuge des DMF und seiner Nachfolgeaktivitäten aufgebauten zum Teil hochspezialisierten Forschungskapazitäten und -kompetenzen ohne eine kontinuierliche
 Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.























































































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