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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 13 – Drucksache 20/5646
 › Synergistische Effekte: Hier stehen ältere Menschen und solche, die unter chronischen Krankheiten leiden, im Fokus. Um abzuklären, ob HF-EMF ein krankheitsverstärkender Stressor ist, wäre ein entsprechendes Monitoring hilfreich. Diese Annahme wird durch Hinweise gestützt, dass bei HF-EMF-Exposition eine Stressreaktion auf zellulärer Ebene in vitro und in vivo stattfindet.
Spezielle Aspekte und Erkenntnisse aus zwei neuen Langzeit-Tierstudien – Krebsentstehung und -promotion
In jüngster Zeit wurden die Ergebnisse von zwei großangelegten Tierstudien veröffentlicht, die weltweit Auf- merksamkeit erregt haben. Diese Langzeit-Studien wurden unabhängig voneinander in den USA und in Italien durchgeführt, mit einer vergleichsweise untypisch hohen Anzahl an Nagern. Beide Studien kamen zu dem Befund, dass die Exposition mit HF-EMF zu einem erhöhten Auftreten von Herz- und Hirntumoren führt. Was dieser Befund für die Bewertung gesundheitlicher Auswirkungen von HF-EMF bei Menschen bedeutet ist allerdings umstritten: Für manche Experten und Expertengremien liefern die zwei Studien erneut »Verdachtsmomente« aber keine eindeutigen Hinweise, dass Mobilfunkstrahlung negative gesundheitliche Effekte verursacht. Für andere wiederum sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse Grund genug, die IARC-Einstufung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern, die bislang als »möglicherweise krebserregend« galten, als »krebserregend« einzu- stufen bzw. auch die bisherigen HF-EMF-Grenzwerte zu erniedrigen.
Die für Fragen der Ernährung und Medikamente zuständige amerikanische FDA, die ICNIRP sowie das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) kommen zu dem Schluss, dass die neue Evidenzlage keinen Beweis für ein erhöhtes Krebserkrankungsrisiko für Menschen bei einer Exposition unterhalb der Grenzwerte durch Mo- biltelefonnutzung darstellt. Aus Sicht des BfS sind die Befunde als »Hinweise« für die Karzinogenität von Mo- bilfunk bei einer Exposition deutlich oberhalb der Grenzwerte zu bewerten. Für das schweizerische Expertengre- mium BERENIS sollen diese Hinweise im Kontext anderer verfügbarer Studien berücksichtigt werden, um abzu- schätzen, ob die Grenzwerte geändert werden sollen.
Dieser Fall illustriert, wie ausgehend von wissenschaftlichen Ergebnissen zu den gesundheitlichen Auswir- kungen von EMF unterschiedliche Handlungsnotwendigkeiten abgeleitet werden.
Mögliche gesundheitliche Risiken durch HF-EMF bei Kindern und älteren Menschen
Mögliche gesundheitliche Auswirkungen von EMF besonders für junge Menschen rückten erstmals durch den im Jahr 2000 veröffentlichten britischen »Stewart-Report« in den Blickpunkt. Hier wurde auf die besondere Emp- findlichkeit von Kindern und Jugendlichen gegenüber Mobilfunkstrahlung im Hinblick auf das sich entwickelnde Nervensystem, die Besonderheiten von Anatomie und Physiologie im Kopfbereich sowie die (prospektiv) längere Exposition aufgrund der Lebenszeit im Vergleich zu Erwachsenen hingewiesen. Zahlreiche Publikationen und Reviews stützten die Annahmen aus dem Stewart-Report, dass Kinder aufgrund ihrer Anatomie und Physiologie im Vergleich zu Erwachsenen stärker exponiert sind. Nach Meinung etlicher Experten und auch der WHO müss- ten Kinder grundsätzlich für empfindlicher gegenüber HF-EMF als Erwachsene angesehen und deswegen ent- sprechend gesondert betrachtet werden.
Obwohl sich etliche Autor/innen und Behörden mit einem möglicherweise erhöhten Risiko für die Gesund- heit von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Mobilfunk und seinen Anwendungen beschäftigt haben, ist die wissenschaftliche Evidenz, ob EMF von Funktechnologien tatsächlich eine besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellen, bislang unklar. Eine systematische Auswertung des aktuellen wissenschaftlichen Kennt- nisstands dazu gab es bis dato nicht. Viele Länder, so auch Deutschland, berücksichtigen dies bei der Festlegung der Basisgrenzwerte für HF-EMF-Belastungen durch einen pauschalen Sicherheitsfaktor von 50. Das heißt, die Grenzwerte liegen 50-fach unter den Werten, für die (nachweislich) gesundheitliche Wirkungen auftreten könn- ten, um so auch empfindliche Personengruppen wie Kinder und ältere Personen ausreichend zu schützen.
Die Darstellungen im vorliegenden Bericht fußen auf den diesbezüglich aktuellen Analysen (bis 2019) sowie auf Erkenntnissen und Aussagen des Forschungszentrums für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Uniklinik RWTH Aachen. Dazu wurde der Forschungsstand nach den PRISMA(Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses)-Richtlinien aufgearbeitet. Es wurden 36 epidemiologische und
  Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.
























































































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