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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 121 – Drucksache 20/5646
  Mögliche gesundheitliche Wirkungen bzw. Risiken durch HF-EMF speziell bei Kindern und älteren Menschen
Ziel dieses Kapitels ist die Analyse und bewertende Einordnung des aktuellen Kenntnisstands zu den biologischen und gesundheitlichen Wirkungen durch HF-EMF-Exposition bei Mobiltelefonie und anderen funkgestützten An- wendungen (Schnurlostelefonie, WLAN, Bluetooth etc.) auf Kinder und Jugendliche. Als Erweiterung zur Be- wertung sensibler Personengruppen wurden außerdem die Wirkungen von mobilen Kommunikationsgeräten auf ältere Menschen recherchiert und dargestellt.
Die Exposition von Kindern und Jugendlichen durch HF-EMF ist in den letzten Jahren stark angestiegen, vor allem da die Nutzung von Mobiltelefonen mittlerweile sehr verbreitet ist (Kabali et al. 2015; Kilic et al. 2019). So nutzen 2019 in Deutschland 54 % der Kinder im Alter von sechs bis sieben Jahren gelegentlich ein Smartphone, und 75 % der Kinder im Alter von zehn bis elf Jahren besitzen sogar ein eigenes Mobiltelefon (Bitkom 2019). In vielen anderen Ländern liegt dieser Anteil noch höher, etwa in Großbritannien, wo 83% der Grundschüler ein Mobiltelefon nutzen (Toledano et al. 2019) und in den USA, wo dies 95 % der Jugendlichen (Anderson und Jiang 2018) taten.
Mögliche gesundheitliche Auswirkungen von EMF für junge Menschen rückten erstmals durch den briti- schen »Stewart-Report« (Stewart 2000) in den Blickpunkt. Hier wurde auf die besondere Empfindlichkeit von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf das sich entwickelnde Nervensystem, die Besonderheiten von Anato- mie und Physiologie im Kopfbereich sowie die (prospektiv) längere Exposition durch Mobilfunk aufgrund der Lebenszeit im Vergleich zu Erwachsenen hingewiesen. Zahlreiche Publikationen und (Advisory Group on Non- ionising Radiation 2012; Gandhi et al. 2012; Markov und Grigoriev 2015; Morris et al. 2015; Redmayne und Johansson 2015) stützen die Annahmen aus dem Stewart-Report, dass Kinder aufgrund ihrer Anatomie und Phy- siologie im Vergleich zu Erwachsenen stärker exponiert sind. Morris et al. (2015) zufolge müssen Kinder grund- sätzlich für empfindlicher als Erwachsene angesehen werden, da sie sich im Wachstum befinden, und auch nach Ansicht der WHO (2003) deswegen entsprechend gesondert betrachtet werden müssen.
Ob Kinder tatsächlich mehr Energie bei der Mobilfunknutzung absorbieren als Erwachsene, ist jedoch um- stritten (Foster und Chou 2014, 2016; Gandhi 2015; Grigoriev 2004; Morris et al. 2015; van Rongen 2004). Ein Review von Lee und Kwon (2015) mit elf dosimetrischen Studien legt nahe, dass die im Gehirn absorbierte Ener- gie eher von individuellen Eigenschaften, insbesondere der Kopfgröße, abhängig ist und weniger vom Alter. Ein weiterer Review (Foster und Chou 2014) kommt auf der Basis von 23 Artikeln zu dem Schluss, dass die meisten Expositionsmessgrößen von Mobiltelefonen unabhängig vom Alter des Menschen sind, jedoch die spezifische Absorptionsrate (SAR-Wert) in bestimmten Regionen des Gehirns mit der Kopfgröße und mit den dielektrischen Eigenschaften des Gewebes – und somit mit dem Alter – variiert. Trotz der inkonsistenten Datenlage waren die im Stewart-Report postulierten Annahmen für verschiedene Behörden (ANSES 2016a; BfS 2018; Föderaler Öf- fentlicher Dienst Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt (FÖD) 2014; Israel Ministry of Health 2019; Redmayne et al. 2016) Anlass, Vorsorgemaßnahmen zur Reduzierung der Nutzung von Mobil- funktechnologien durch Kinder und Jugendliche zu empfehlen. Aufgrund dessen und auch auf Empfehlungen der WHO (2006b, 2010) wurde die Forschung im Bereich der Wirkungen von Mobilfunk auf Kinder verstärkt.
Obwohl sich etliche Autoren und Behörden (ANSES 2016a; Health Council of the Netherlands 2011; Lin 2019; Sage und Burgio 2018) mit einem möglicherweise erhöhten Risiko für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Mobilfunk und seinen Anwendungen beschäftigt haben, ist die wissenschaftliche Evidenz, ob EMF von Funktechnologien tatsächlich eine besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellen, bislang unklar (Feychting 2011; SCENIHR 2015; Advisory Group on Non-ionising Radiation 2012). Eine syste- matische Auswertung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands zu den Wirkungen von HF-EMF auf Kin- der und Jugendliche gab es bis dato nicht. Viele Länder, so auch Deutschland, berücksichtigen dies bei der Fest- legung der Basisgrenzwerte für HF-EMFHF-EMF-Belastungen durch einen pauschalen Sicherheitsfaktor von 50, um so auch empfindliche Personengruppen wie Kinder und ältere Personen ausreichend zu schützen – d. h. die Grenzwerte liegen fünfzigfach unter den Werten, für die (nachweislich) gesundheitliche Wirkungen auftreten könnten (Kap. 3 – Grenzwerte).
 Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.



























































































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