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Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 117 – Drucksache 20/5646 die Zellfunktionalität beeinflussen könnten (vgl. mit Z27, T27). Dies könnte möglicherweise auch in gesundheit-
licher Hinsicht bedeutsam sein, aber ein wissenschaftlicher Nachweis hierfür existiert bislang nicht.
Ausgewählte Endpunkte
Im Folgenden werden mit Blick auf mögliche zukünftige Forschungsthemen wichtige neuere Erkenntnisse aus- gewählter Endpunkte kommentiert.
Krebs
Bezüglich der Einschätzung des Krebsrisikos für Menschen hat sich die Sachlage in den letzten ca. 10 Jahren nicht wesentlich verändert. Die Einschätzung der IARC (Internationale Krebsforschungsagentur der WHO) kann als eine in der Wissenschaft breit geteilte Basis genommen werden, wenngleich diese nicht einstimmig geteilt wird. In dieser Einschätzung wurden HF-EMF der Kategorie 2B zugeordnet: möglicherweise kanzerogen65 (IARC Working Group on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans 2013, S. 419).
Neuere epidemiologische Studienresultate haben an dieser Sachlage bislang nicht grundsätzlich etwas geän- dert. Statistische Auswertungen von Krebsregistern zeigen keine ansteigenden Fallzahlen, Hinweise aus Studien zu Kindern und Jugendlichen haben ebenfalls keine erhöhten Risiken offengelegt. Allerdings ist zu konstatieren, dass die Interpretationsspielräume beträchtlich sind, weil retrospektive Fall-Kontroll-Studien, auf die sich die Ri- sikoeinschätzungen größtenteils stützen, mit großen methodischen Unsicherheiten behaftet sind.
Neuere Tierstudien zeigen nunmehr erhöhte Inzidenzen. Die DMF-Studie von Lerchl et al. (Lerchl et al. 2015; Lerchl 2018) hat Befunde aus einer früheren Arbeit (Tillmann et al. 2010) bestätigt. Danach zeigen sich bei Mäusen, die mit einem karzinogenen Stoff (hier: Ethylnitrosoharnstoff) behandelt wurden, mehr Leber- und Lun- gentumore sowie erhöhte Werte von Lymphomen, wenn die Tiere gegenüber HF-EMF exponiert werden. Aller- dings konnte kein klarer Dosis-Wirkungs-Zusammenhang gefunden werden.
Sodann zeigte sich in zwei aktuellen Studien, die mit einer sehr großen Anzahl an Versuchstieren (Ratten und Mäuse) sowie mit hohem wissenschaftlichem Standard durchgeführt wurden, dass Exposition mit HF-EMF Signalen, wie sie von Mobiltelefonen genutzt werden (GSM und UMTS), zu größeren Inzidenzen bestimmter Tumoren bzw. deren Vorstufen führten.
Insgesamt gesehen gehören diese Befunde zu den wichtigsten der letzten Jahre. Da es sich um replizierte Hinweise auf Effekte handelt, sollte ihnen intensiv mit weiterer hochqualitativer Forschung nachgegangen wer- den. Immerhin stellen sie einen nicht unwesentlichen Aspekt in der Risikobeurteilung für den Menschen dar.
Neurodegenerative Erkrankungen
Dieser Aspekt wurde im Rahmen des DMF nicht untersucht. Bislang lagen über einen möglichen Zusammenhang zwischen HF-EMF und neuredegenerativen Erkrankungen keine aussagekräftigen Humanstudien vor. Die For- schungsaktivitäten betreffen Laborexperimente mit neuronalen Zellen und Tierstudien.
Es liegen nunmehr jedoch zwei Studien vor, die auf einen negativen Einfluss auf das Wachstum von Neuri- ten – langgestreckte Fortsätze von Nervenzellen – hinweisen (Chen et al. 2014; Narayanan et al. 2015). Sollte sich dieses Resultat bestätigen, wäre dies für die Entwicklung von neurodegenerativen Erkrankungen von großer Relevanz, denn Neuriten sind Vorstufen von Dendriten und Axonen. Aufgrund der zahlreichen möglichen Aus- wirkungen auf neurodegenerative Erkrankungen sowie auf die Kognition sollte dieser Punkt weiter abgeklärt werden.
65 Die IARC klassifiziert die Evidenzen in die Kategorien: 1: kanzerogen, 2a: wahrscheinlich kanzerogen, 2b: möglicherweise kanzerogen, 3: nicht klassifizierbar, 4: wahrscheinlich nicht kanzerogen. Die »IARC Monographs Advisory Group« hat eine Empfehlung für abge- geben, dass hochfrequente elektromagnetische Felder aufgrund neuer vorliegender Ergebnisse in den Jahren 2020 bis 2024 neu bewertet werden sollten (IARC Monographs Advisory Group 2019).
    Vorabfassung – wird durch die endgültige Fassung ersetzt.




















































































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